Robert Jungk – Bergwerk

Das Vermächtnis

Was hat Robert Jungk den nachkommenden Generationen hinterlassen? Ganz sicher das „Bergwerk“. So bezeichnete er seine Arbeitsräume unter dem Dach der Salzburger Bibliothek für Zukunftsfragen. Dort lagern bis heute (der Umzug der JBZ – Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen – in ein neues Domizil steht ab 1.September 2014 bevor)  Bücherstapel. Für Außenstehende ein faszinierendes Chaos…

Wir wollen hier seinem Leben und Wirken für die Zukunftswerkstätten Raum geben und dabei nicht vergessen, dass es weitere Weggefährten und bedeutende Menschen wie Rüdiger Lutz (gest. 2006 in Tübingen), Norbert R. Müllert, Waldemar Stange u.a. gab und gibt, die das Konzept Zukunftswerkstatt ausprobiert, (weiter-)entwickelt, strukturiert und erschlossen haben.

Dass sich Zukunftswerkstatt heute als ein offenes Konzept weiterentwickeln kann und dennoch seinen Wurzeln und der dahinterstehenden Haltung treu bleibt – dafür steht der ZUKUNFTSWERKSTÄTTEN Verein.

Stephan G. Geffers hat sich umgschaut:

Das Bergwerk

Einen wesentlichen Teil seines Lebens – nach Lebensstationen u. a. in Berlin, Seefeld (Tirol), Paris, Barcelona, Prag, Zürich, Bern, New York, Washington, Los Angeles, Hiroshima, Wien – verbrachte Robert Jungk in Salzburg. Im Dachgeschoss der von ihm dort 1985 gegründeten Internationalen Bibliothek für Zukunftsfragen lagen seine Arbeitsräume, in denen er Bücher und „graue Literatur“, die er von zahlreichen Reisen mitgebrachte, ablud und wiederfand, las und recherchierte, in seine journalistischen und gesellschaftpolitischen Arbeit einbaute. Diese Räume unter der Dachschräge heißen bis heute das Bergwerk von Robert Jungk.

Ein Bergwerk ist eine Anlage zur Gewinnung, Förderung und Aufbereitung von Rohstoffen, im engeren Sinne ein System aus Schächten und Strecken, das von der Erdoberfläche nicht sichtbar ist, und in dem unter nicht leichten Arbeitsbedingungen Schätze zusammengetragen werden. In ältester Zeit wurden vor mehr als 30.000 Jahren in Ägypten erstmals Feuersteine abgebaut. Seit 1.700 Jahren wurden in der Nähe der heutigen Stadt Goslar Erze zutage gefördert (Bergwerk Rammelsberg, heute UNESCO-Welterbe). Vergleichsweise jung ist also das Jungk’sche Bergwerk. Mathias Greffrath beschrieb es in DIE ZEIT 21/2011 als „bizarres Gebirge von Büchern, Zeitschriften, Halden von grauer Literatur, Flugschriften, Pamphleten, die er gesammelt hatte.“ Die vollständige Förderung der gedruckten Schätze, die Robert Jungk hier zusammentrug, ist bislang nur ansatzweise vollbracht. Nun naht das Ende dieses Bergwerks, da das in städtischem Besitz befindliche Gebäude heutigen Anforderung an behindertengerechtem Zugang nicht mehr genügt. Die Bibliothek für Zukunftsfragen wird gemeinsam mit fünf weiteren Einrichtungen des Hauses der Erwachsenenbildung Corso in einen Neubau umziehen müssen.

Ich stelle mir vor, mit welcher inneren Haltung Robert Jungk in seinem Bergwerk gearbeitet hat – und in welcher Weise dies als Vorbild heute dienen kann. Er trug zusammen, was ihm interessant erschien, ohne schon genau zu wissen, wo er dieses einbauen könnte. Er legte ab, stellte es in neuen Zusammenhängen wieder zusammen und verglich verschiedene Quellen, ehe er Schlussfolgerungen zog. Er achtete scheinbar belanglose Broschüren, von Bürgerintiativen in Eigenregie herausgegeben, ebenso wie anerkannten Veröffentlichungen angesehener Universitäten und Verlage. Er mischte – wie ein Künstler seine Farben – Werke verschiedener Fachdisziplinien und überließ den Zugriff auf die Informationsschätze einer gewissen inspierenden Zufälligkeit.

Jungk verwertete nur einen Teil des gesamten Schatzes selbst, ein anderer Teil wurde erst Jahrzehnte später entdeckt. Dazu gehört das Manuskript für „Das Sonnenbuch. Berichte vom Anfang einer nahen Zukunft“, im Jahr 2013 herausgegeben vom Leiter der Bibliothek, Dr. Walter Spielmann. Auf dem Buchtitel, verlegt im Otto-Müller-Verlag Salzburg, sehen wir Jungk vor einem Bücherstapel im Bergwerk stehen, ein wunderbares Foto von Lillian Birnbaum.

Wer zum Zukunftswerkstätten-Jahrestreffen 2013 frühzeitig nach Salzburg angereist war, konnte vielleicht eine der letzten Führungen ins 99 Stufen aufwärts liegende Bergwerk mitmachen – unter sachkundiger Führung des an diesem Tag bergmännisch mit Schutzhelm ausgestatteten Bibliotheksmitarbeiter Hans Holzinger.

 

Wer mehr erfahren möchte…

Robert Jungk – Leben für die Zukunft