Unsere Geschichte

Das Interview

Walter Häcker ist Gründungsmitglied des ZUKUNFTSWERKSTÄTTEN-Vereins. Wer könnte es besser wissen als er, wie es zur Gründung kam. Ulla Theisling hängte sich ans Telefon und notierte ihre Fragen und seine Antworten für uns:

Walter, womit befasst du dich heute?
Mir ist heutzutage die Weiterführung der Zukunftswerkstatt hin zu einer „Permanenten Werkstatt“ mit Hilfe des Community Organizing wichtig. Was tun wir in der Zukunftswerkstatt? Die Beteiligten beschreiben mit ihren eigenen Worten, was sie tun wollen. Danach versickern aber häufig Ideen und Ansätze wieder. Deswegen biete ich heute Zukunftswerkstatt mit „Wartungsvertrag“ an; das heißt, schon in der Realisierungsphase biete ich  einen Rollenwechsel vom Moderator zum Berater an. Es geht dann in Richtung Organisationsberatung.
Wichtig ist mir nach wie vor der politische Teil der Zukunftswerkstatt. Ich bin auch im eigenen Interesse  an einer gesellschaftlichen Weiterentwicklung interessiert, an mehr Durchsetzungsmacht.

Wo bist du Robert Jungk zum ersten Mal begegnet?
Das war Ende der 1970-Jahre. Ich war damals Leiter der Volkshochschule in  Schorndorf. Die Evangelische Akademie in Bad Boll hatte als Tagungsleiter Robert Jungk angekündigt zu einem Thema, das mich zunächst überhaupt nicht interessierte. Es ging um die demokratische Einbettung von kommerziellen Fernsehsendern, die damals gerade aufkamen. Ich wusste bis dahin nichts von der Zukunftswerkstatt.

Robert Jungk sagte, dass er kein Referat vorbereitet habe, sondern eine Zukunftswerkstatt durchführen wolle.
Und die machte dann Rüdiger Lutz, der wesentlich zur Verbreitung der Zukunftswerkstatt beigetragen hat. Von ihm stammt die Visualisierung des Zukunftswerkstatt-Vorgehens als Doppelspirale aus emotional-intuitiven und rational-analytischen Anteilen.
Der Rüdiger begann die Utopiephase mit einer Schamanischen Reise, die er in Kalifornien kennen gelernt hatte.  Es ging zunächst los mit körperlicher Bewegung bis zur Erschöpfung. Wir hüpften auf einem Bein, mit der Musik von Kitaro, bis wir nicht mehr stehen konnten.  Und danach war ich voll in Trance – eine absolut neue Erfahrung. Ich dachte, so was gibt’s eigentlich nicht. Wer wollte, konnte danach darüber reden. Bob (so nannten sie Robert Jungk) hat gegrummelt „Ich war in der Südsee. Das ist doch nicht politisch! Und dann kam aus dem Off eine Stimme, die zu mir sagte: Geh du nicht hin, es kommt zu dir!“ Das erschien mir eine wichtige Botschaft für Bob zu sein.

Wie haben Robert Jungk und Rüdiger Lutz dich beeinflusst?
Eine wichtige Frage für mich war: „Wie kommt man zur Weitergabe des Wissens in der Zukunftswerkstatt?“  Eine gute Moderatorenkollegin aus Bayern gab damals den Hinweis. Sie habe es direkt von Bob gelernt. Dabei wussten wir alle, dass Bob niemals selbst Zukunftswerkstatt-Ausbildungskurse angeboten hat. Die Kollegin hatte Robert Jungk gefragt, wie man Zukunftswerkstätten lernen könne, nachdem sie das Buch von ihm und Norbert R. Müllert gelesen hatte. Bob habe sie fest angeschaut und die Hände auf ihre Schultern gelegt und gesagt: „Du kannst es!“ Durch Handauflegen hat er Zukunftswerkstatt-Moderatoren „erzeugt“. Das habe ich mir ein stückweit abgeguckt. Für Robert Jungk waren die Moderatoren ebenfalls Handelnde, die es durch Ausprobieren erlernen können.
Für mich war Robert Jungk ein Vorbild, wie er praktisch gewirkt hat. Ich habe erst jetzt das Buch „Heller als Tausend Sonnen“ über die Geschichte der Atomforschung. gelesen. Es ist auch heute noch aktuell. Er gehört für mich zu den großen Lehrern des letzten Jahrhunderts.

Wie kam es zur Gründung des Vereins?
Drei Jahre nach seinem Tod haben wir – wieder in Bad Boll – einen größeren Kongress organisiert.  Ich sah damals die Gefahr, dass die Zukunftswerkstatt von einigen zu einem ausformulierten Lehrplan entwickelt werden sollte.  Für mich war es wichtig, dass die Zukunftswerkstatt eine freie Entwicklung nimmt.  So wurde dann später auch in der Zukunftswerkstatt eine gruppendynamische Vorphase eingeführt mit Fragen wie  „Wer sind wir? Was Können wir?“.
Wir haben dann auch versucht, Einfluss zu nehmen. So haben wir z.B. eine Zukunftswerkstatt beim SPD Parteivorstand durchgeführt. Es wurde sogar etwas bezahlt.
Heute sehe ich, dass der Begriff Zukunftswerkstatt manchmal ohne die dahinterliegende Haltung verwendet wird, zunehmend mit kommerziellen Güter-Verkaufs-Absichten.

Worin siehst du die Zukunft des Vereins?
Die Jahrestreffen der Zukunftswerkstätten, früher Perspektivtreffen genannt, haben eine grandiose Geschichte. Sie sollten auch erhalten bleiben mit dem Element, dass immer wieder neue Personen/Gruppen das nächste Jahrestreffen vorbereiten.
Gut ist auch, dass der Verein und die Jahrestreffen stärker miteinander arbeiten.
Ich gehe da ganz pragmatisch ran. Solange Leute da sind, die eine Aufgabe in diesem Verein sehen, soll es den Verein geben. Die Zukunftswerkstatt würde auch ohne Verein weiterleben und sich weiterentwickeln. So ist beispielsweise Open Space eine äußerst wichtige Methode, die ich in vielen Fällen der Zukunftswerkstatt vorziehe. Wichtig ist die Haltung, die hinter diesen Methoden steht und die auch die tragende Haltung von Robert Jungk war:
Menschen zu befähigen, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.

Das Interview wurde am 25.3.2014 von Ulla Theisling durchgeführt